Behind the Scenes: 1 Jahr Selbstständigkeit

Nach Jahren der Überlegungen ist 2023 der Entschluss gereift: Ja – ich bin bereit, mich selbstständig zu machen. Seit 1. Jänner 2024 bin ich als Content Stratege tätig und kann auf ein vielseitiges und abwechslungsreiches erstes Jahr zurückblicken.

Zum Start meines zweiten Geschäftsjahres möchte ich dir einen Blick hinter die Kulissen als Einzelunternehmer gewähren. Vorhang auf für die größten Learnings und drei Tipps für alle, die ebenfalls diesen Schritt wagen wollen.

Meine 5 Learnings als Einzelunternehmer

Das hat mich in bzw. nach den ersten zwölf Monaten doch etwas überrascht.

Learning 1: Es kommt anders als gedacht

… und als geplant. So gut die Vorbereitung und die Planung auch immer sein mag (Danke an das Unternehmensgründungsprogramm des AMS Wien), auf vieles haben wir selbst wenig Einfluss und wir können es nur bedingt voraussehen.

Es ist anders gekommen: Kaltakquise war nicht notwendig (weil ich richtig gut ausgelastet war), persönliche Kontakte und Empfehlungen waren die wichtigsten Vertriebskanäle. Vieles in meinem Businessplan aus dem Herbst 2023 liest sich als zu vorsichtig, anderes hingegen als zu optimistisch (etwa die regelmäßigen Blogartikel für meine Website). Doch das ist normal.

Rückblickend ist das erste Jahr anders verlaufen – und das muss keinesfalls negativ sein.

Learning 2: Vorbereitung zahlt sich aus

Mit Tools wie einer Businessplan-Vorlage und Kalkulationssheets sowie unzähligen Workshops im Rahmen des UGP oder der Wirtschaftsagentur Wien war ich gut auf mein Leben als Unternehmer vorbereitet. All das hat geholfen, meine Dienstleistungen selbst sowie die unternehmerische Tätigkeit zu visualisieren und zu wissen, was meine Arbeit wert ist und wie viel ich zumindest verlangen muss.

Die Preis- und Ressourcen-Kalkulation kann dir niemand abnehmen. Sie ist von immensem Wert und gehört zu jeder fundierten Vorbereitung dazu. Überrascht war ich trotzdem, wie rasch sich im Rahmen meiner unternehmerischen Tätigkeit mein Business-Mindset (siehe Learning 4) verändert hat.

Learning 3: Du bist ein:e Einzelkämpfer:in

… und du solltest das mögen. Meine Arbeit war extrem vielseitig, abwechslungsreich und niemals langweilig. Doch meine beruflichen Kontakte beschränken sich auf Geschäftspartner:innen oder Entscheider:innen. Unterm Strich sind es immer Auftraggeber:innen. Niemand ist ein:e Kolleg:in, denn ich selbst bin Zulieferer.

Du musst (ab)liefern und bist schneller austauschbar als etwa ein Teammitglied. Das hat Vor- und Nachteile.

Als Einzelunternehmern kannst (und sollst) du niemals ein vollwertiges Team-Mitglied sein, du bist immer Externer.

Learning 4: Mein Mindset zu Arbeit, Arbeitszeit & Entlohnung hat sich extrem geändert

Ich war schon immer von Selbstständigen und Landwirt:innen umgeben. Deshalb habe ich sehr früh das Unternehmertum hautnah miterlebt. Doch selbst Unternehmer:in zu sein, hat meine Einstellung zu Arbeitszeit oder Investitionen massiv geändert.

Ich habe deutlich mehr gemacht als geplant, doch es ist mir leicht gefallen. Zu wissen, dass ich für mich und mein Unternehmen arbeite, ist eine komplett andere Motivation als in einer fixen Anstellung. Es war für mich selten nur „Arbeit“. Stattdessen habe ich an Projekten gearbeitet, die sichtbar und angreifbar wurden. Dinge, auf die ich heute stolz zurückblicken kann.

Ich kann besser verstehen, was etwas kosten kann, darf und auch soll – denn es stecken (viele) Ressourcen hinter einer Leistung.

Learning 5: Es gibt produktive und weniger produktive Phasen

… und das ist gut so. Von klein auf werden wir darauf getrimmt, produktiv zu sein und uns ständig zu verbessern. Ganz nach dem Motto: „Schneller, höher, weiter. „

Ich hatte vor allem zu Beginn des Jahres das Gefühl, ständig und immer arbeiten zu müssen. Ich wollte mehr erledigen und konnte ruhigere Phase schwer akzeptieren. Produktive Phasen, in denen es nur so aus uns heraussprudelt, kommen von selbst. Wichtiger ist, die ruhigeren Phasen zu genießen und dafür zu nutzen, um Energie zu tanken sowie die Gedanken treiben zu lassen. Das Hirn arbeitet in dieser Phase ohnehin weiter und vielleicht kommt dabei die andere oder andere großartige Idee heraus.

Meine 3 Tipps für (angehende) Einzelunternehmer:innen

Mit vielen Kontakten und vielleicht schon den ersten fixen Aufträgen ins Unternehmertum zu starten, ist immer zu empfehlen. Doch es gibt noch drei weitere Tipps, die ich dir mitgeben möchte.

1.
Kalkulation

2.
Prozesse

3.
Selbstvertrauen

Tipp 1: Kalkuliere ordentlich & lerne dazu

Die Preisgestaltung deiner Dienstleistung ist der wichtigste Punkt: Denn du möchtest ein erfolgreiches Business haben (da gehört Geld dazu). Sei von Anfang an besonders aufmerksam und kalkuliere (für dich nachvollziehbar) sowie immer kostendeckend. Keine falsche Bescheidenheit, deine Arbeit ist es wert!

Die Ausgangsbasis einer soliden Kalkulation ist dein Stundensatz. Um diesen zu ermitteln, empfehle ich dir den Online-Mindestumsatzrechner der Wirtschaftskammer Wien. Dort stellst du dir Fragen wie:

  • Wie viele Stunden will ich überhaupt arbeiten?
  • Was soll am Ende des Jahres (wirtschaftlich) für mich rausschauen?
  • Welche betrieblichen Aufwände kommen auf mich zu?

Den errechneten Stundensatz brauchst du für Angebote bzw. für die Konzeption von „Paketen„. Sich solche Packages zu überlegen ist eine super Übung fürs Kalkulieren (selbst wenn ich davon keines jemals verkauft habe). Doch denke daran: Der vorab errechnete Stundensatz ist das absolute Minimum, um das gesteckte Umsatzziel zu erreichen. Es darf (und soll) gerne mehr sein.

Ist ein Angebot bestätigt und du hast den Auftrag erhalten, kommt der wichtigste Teil: Notiere die von dir investierten Ressourcen (Zeit & Hilfsmittel). Nach Projektabschluss kannst du berechnen, welchen Stundensatz dir dieser Auftrag gebracht hat und ob du überhaupt kostendeckend unterwegs bist.

Mein Tipp: Ich notiere mir seit Stunde Null alle Tätigkeiten und wie lange ich gebraucht habe. Dafür nutze ich ein simples GoogleSheet, das mir Auswertungen auf Kunden-, Projekt-, Tätigkeiten- und Zeitraum-Ebene ermöglicht. So weiß ich immer, wie viel ich für wen oder was aufgewandt habe.

Ich bin ehrlich: Im ersten Jahr habe ich mich das ein oder andere Mal ordentlich verkalkuliert (und unterm Strich viel zu viel Zeit aufgewandt). Das ist dann okay, sofern wir daraus lernen. Nach den ersten zwölf Monaten kann ich jetzt viel besser abschätzen, welche Ressourcen ich für welche Tätigkeiten benötige und was mein Preis dafür ist.

Tipp 2: Hab deine Prozesse fertig

Nutze die Vorbereitungszeit vor dem Geschäftsstart dafür, deine Standardprozessse durchzudenken und dir Vorlagen, Tools & Listen bereitzulegen. Stelle dir Fragen wie:

  • Wie erstelle ich Rechnungen?
  • Welche Tools und Programme brauche ich?
  • Wer macht meine Buchhaltung?
  • Habe ich Vorlagen für Angebote?
  • Brauche ich AGB und wie sieht’s mit dem Datenschutz aus?

Das Ziel: Administrative Arbeit minimieren und mehr Zeit für (verrechenbare) Projekte zur Verfügung haben. Vieles wird sich in den ersten Monaten zwar noch ändern, weil es sich etwa nicht als praktikabel erweist – doch du startest nicht bei Null.

Tipp 3: Vertrau auf dich

Du hast dir deinen Schritt in die Selbstständigkeit gut überlegt. Unsicherheiten lasse hinter dir, vertraue dir und deinem Gespür. Sei dir deiner Stärken und Fähigkeiten bewusst – sie sind deine Unique Selling Proposition.

Zweifel solltest du in Wachsamkeit verwandeln. Achte darauf, wenn Dinge sich nicht wie gewünscht entwickeln und adaptiere deinen Plan. Doch verliere dabei niemals das Selbstvertrauen.

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